berni1894

07.03.2009, 19:57
Notice: Undefined variable: entrydata in C:\Vroots\viennaforum\votes.php on line 11
 

Vienna bzw. H. Menasse im Standard/ neuer Ballesterer II/III (Public)

Zumindest bei den Funktionären scheint es so, dass direkt nach dem Krieg erstaunlich viele Juden nach Österreich zurückgekommen sind.

Bunzl: Die Entscheidung zur Rückkehr hatte meiner Meinung nach nicht zwingend mit dem Sport zu tun, sondern mit der Frage, ob man wieder in Österreich leben will und kann. Da spielte auch die politische Einstellung eine Rolle. Die Leute, die die Hakoah wieder gegründet haben, waren teilweise Rückkehrer, teilweise aber auch »Displaced Persons«, die nach Österreich gekommen sind. Da gab es kaum eine Kontinuität. Genauso wenig wie bei der jüdischen Gemeinde insgesamt. Es spricht ja Bände, wie wenig Juden wirklich zurückgekehrt sind.

Menasse: Interessant war die Figur von Joschi Walter, der die Austria über lange Jahre sehr erfolgreich geführt hat. Er war zwar selbst kein Jude, hatte aber sehr viele jüdische Freunde und Mitarbeiter. Wenn die Leute schlecht über die Juden geredet haben, konnte Walter wahnsinnig werden. Er hat geschimpft und sich gegen den Antisemitismus zur Wehr gesetzt.


Welche Formen von Antisemitismus haben Sie im Fußball miterlebt?

Menasse: Als Spieler habe ich das eigentlich kaum miterlebt. Später in der Stadthallehaben die Fans von Rapid und Austria einander als »Juden« und »Jugos« bezeichnet. Hans Krankl hat auch einmal eine entsprechende Bemerkung gemacht, für die er sich dann entschuldigt hat.

Bunzl: Es gibt allerdings schon Berichte über antisemitische Publikumsäußerungen direkt nach dem Krieg.

Menasse: Als Spieler war das für mich nie ein Thema. Meine Teamkollegen und Gegenspieler waren junge Burschen, die wollten leben, Fußball spielen und mit Mädeln ausgehen. Alles, was im Krieg und davor vorgefallen war, wollten sie vergessen. Meine Eltern ebenso. Ich mache mir heute noch Vorwürfe, dass ich ihnen nicht mehr Fragen gestellt habe. In unserer Familie hat das gelebte Judentum nie eine Rolle gespielt. Wir waren nie in der Synagoge und haben auch die Feiertage nicht wahrgenommen. Ich bin erst später aus Dankbarkeit der Kultusgemeinde beigetreten. Trotzdem fühlen sich vor allem unsere beiden älteren Kinder dem Judentum nahe.

Bunzl: Meine Eltern sind nach ihrer Rückkehr in der Kultusgemeinde geblieben, und so wurde ich auch automatisch Mitglied. Durch meine politischen Aktivitäten gab es öfters schon die Gefahr, dass ich rausgeschmissen werde. Freiwillig würde ich nicht gehen, weil ich mich der jüdischen Gemeinschaft zugehörig fühle. Ich habe mir das allerdings eher selber erworben, als von meinen Eltern mitbekommen.

Herr Bunzl, wie hat sich Ihr Interesse für den Fußball entwickelt?

Bunzl: Ich bin in einem niederösterreichischen Dorf namens Pernitz aufgewachsen. Ich wollte mich anpassen und auf Distanz zu meiner Herkunft gehen. Also habe ich den ärgsten Dialekt gesprochen, war total antiintellektuell eingestellt und ein Fußballnarr. Das hat mir irgendwie geholfen damals. In der Pubertät ist mir aufgefallen, dass dieses Interesse mit dem Wunsch, sich zu assimilieren, zu tun hatte. Als ich 1963 das erste Mal nach Israel gereist bin, wollte ich unbedingt ein Fußballmatch sehen. Dieses Interesse am israelischen Fußball ist seither ungebrochen.

Und wie sind Sie dazu gekommen, ein Buch über die Hakoah zu schreiben?

Bunzl: Mein Freund, der Hamburger Schriftsteller Peter Kulemann alias Peter Cardorff ist ebenfalls ein großer Fußballnarr. Wir sind in den 1980er Jahren öfters gemeinsam zu Spielen gegangen, und er hatte dann die Idee zu dem Buch. Hinter der Arbeit an »Hoppauf Hakoah« stand der Wunsch, zwei Leidenschaften zu verbinden - jene für den Fußball und das Interesse an der jüdischen Kultur. Ein weiterer Faktor war die Bekanntschaft zum jetzigen Hakoah-Präsidenten Paul Haber und mein Sohn, der in dieser Zeit begonnen hat, sich für Fußball und Sport zu interessieren. Seinetwegen hab ich die Tischtennis-Sektion der Hakoah wiedergegründet.

Welche Erkenntnisse haben Sie über die Fußballsektion der Hakoah gewonnen?

Bunzl: Die Fußballsektion der Hakoah war für die jüdischen Fußballfans eine Quelle von Freude und Stolz. Der Meistertitel 1924/25 war ja wirklich ein unglaublicher Erfolg. Dazu kommt das Mitgefühl für den Abstieg und das tragische Ende. Ein Drama, das total parallel passierte mit jenem der jüdischen Bevölkerung.

Wie war die Anhängerschaft zusammengesetzt? Wer ist zur Hakoah gegangen?

Bunzl: Es gibt dazu keine gesicherten Daten. Beschreibungen aus der Zeit sagen aber, dass die Hakoah eher aus Osteuropa stammende Juden angesprochen hat. Leute, die noch Jiddisch gesprochen haben, die nicht ganz assimiliert waren oder sich als Zionisten nicht anpassen wollten. Assimilierte und sozial besser gestellte Juden waren eher Austria-Fans.

41921 Postings in 6845 Threads, 275 registrierte User, [total_online] User online ([user_online] reg., [guests_online] Gäste)
Viennaforum | Nutzungsbedingungen | Das alte Viennaforum (Archiv) | Kontakt
RSS Feed
powered by my little forum