Auf in die Ära Tatar! (Public)

verfasst von The Ghost of Rudi Hevera(R), 09.09.2010, 23:19

Auf geht's mit dem neuen Trainer morgen, der unsägliche Schinkels findet gottseidank nur mehr auf den Bildschirmen statt, bis halt der Nächste auf diesen Schaumschläger hereinfällt. Ich habe mich ein bisschen bei Leuten umgehört, die Tatar näher kennen. Eigentlich fast nur Positives gehört, auch wenn die entscheidende Frage, ob er ein guter Cheftrainer ist, meist mit "hoffentlich" beantwortet wurde. Schließlich weist er im Alter von 47 Jahren lediglich 11 Monate als hauptverantwortlicher Trainer auf und diese Episode bei Ried liegt auch schon wieder acht Jahre zurück. Sein Engagement bei uns hat er seinen Analysen bei Sky zu verdanken. Ohne mich zu weit aus dem Fenster zu lehnen - ohne diese Tätigkeit wäre er heute nicht unser Trainer. Ich habe die Analysen nicht gesehen, auch von weniger schöngeistigen und fachkundigeren Zusehern als Martin Blumenau wurden sie aber sehr geschätzt.
Tatar hat sich als Co-Trainer einen Ruf als detailverliebter Arbeiter geschaffen, der vor allem die Trainingsarbeit und die Vorbereitung auf den Gegner akribisch betreibt. Ich bin überzeugt, dass wir vor allem in Defensivbereich kurz- und langfristig eine bedeutende Verbesserung erleben werden. Dies ist auch einfacher zu bewerkstelligen als einem offensiv impotenten Team Abschlussstärke anzutrainieren. Ich erinnere mich an Ostbahn in unserem letzten Ostligajahr, die unter Trainer John mit einem Gegentorschnitt von über drei pro Spiel auf die Hundertergrenze zurasten, ehe sein Nachfolger Jusits innerhalb Wochenfrist und mit derselben Besetzung eine nur schwer zu bezwingende Defensive formte. Vergleiche damit natürlich nicht Jusits und Tatar, aber defensive Disziplin und eine dichte Viererkette sollte auch bei uns irgendwann einmal Einzug halten. Personal haben wir ja jetzt genug - auch nach dem Abgang von Milutinovic (nach etwa einem halben Jahr in Österreich steht er nun ohne Aufenthaltsgenehmigung da?) können wir den Gegner mit unseren Defensivkräften zumindest umzingeln, wenn es der Schiri zuläßt. Mit (in alphabetischer Reihenfolge) Balga, Bjelovuk, Duran, Dvoracek, Frenzl, Ilic, Imamoglu, Kröpfl, Osoinik, Pereira, Rathfuss und Salvatore stehen jetzt 12 Spieler mit Abwehrerfahrung zur Verfügung. Einige davon mit fragwürdiger Qualität, aber vier werden sich doch um Gotteswillen finden lassen, die weniger porös agieren als zuletzt. Der angekündigte Sechser kam nicht, es wird interessant zu sehen, ob von diesem Dutzend jemand neben Salvatore auch vor der Abwehr agieren kann. Von den Neuen hat Duran hat dies schon getan, allerdings in der Ostliga und nicht sehr gut, Rathfuss und Osoinik sind Kämpfer, die zum Vorwärtsspiel kaum etwas beitragen können. Egal, wie die Würfel morgen fallen, defensiv können wir nicht desolater als zuletzt auftreten.
Die mangelnde Erfahrung als Cheftrainer ist natürlich das größte Fragezeichen bei Tatar, weder ein guter TV-Analyst noch ein loyaler und einfallsreicher Co-Trainer machen unbedingt einen guten Headcoach. Ich glaube, es wird vor allem darauf ankommen, welchen verbalen Zugang Tatar zum Team findet. Dem Vernehmen nach oszillieren Tatars Ansprachen zwischen ganz normalem Fußballvokabular und (zu) hochgestochenen Lösungsansätzen. Sogar Rachid Rachimov, der immer noch die Welt auf ihn hält, sagte: "Tatar und ich - wir ergänzen uns perfekt. Aber wenn er mit mit mathematischen Formeln kommt, ist's aus." Daher wird es sicher vonnöten sein, dass Tatar jemanden neben sich hat, der nah genug bei der Mannschaft ist und ihn so ab und zu am Ärmel zupfen kann: "Fredl - nimmt die a bissl zruck, des wor jetzt zvüh." Ob Fellner diese Rolle einnehmen kann, bezweifle ich, aber über kurz oder lang wird Tatar ohnehin seinen eigenen Stab einsetzen, Erfolg vorausgesetzt. Zu Rachimovs Captain Bligh gab Tatar angeblich den Fletcher Christian (ohne nachfolgende Meuterei) - als Headcoach muss er zumindest vorerst wohl beide Rollen in sich vereinen. Seine Fachkenntnis bestreitet niemand, seine Hingabe zum Job, die bei seinen Vorgängern nicht einmal ansatzweise zu sehen war, ebenfalls. Spielbeobachtungen und Videoanalysen am Wochenende sollten nun statt TV-Tätigkeiten und Seniorenkickereien Einzug halten. Klar ist aber auch, dass er seine kritischen Analysen unserer Auftritte nun mit Leben erfüllen muss und seine Aussagen dahingehend beäugt werden. Verbal sollte sich Tatars Auftreten jedenfalls wohltuend vom Schinkelsschen Galimathias der letzten Wochen abheben, so er es nicht zu abgehoben angeht.
Grund zu leichtem Optimismus ist angebracht, Tatar wird sich auch darüber im Klaren sein, dass nicht mehr soviele Chancen als Headcoach im Profifußball auf ihn zukommen werden. Mit Stöger, Schinkels und ihm haben wir jetzt wohl den ganzen Trainerregenbogen abgedeckt (mit der offensichtlichen Vorausetzung einer Analystentätigkeit ist der Markt für uns allerdings immer eingeschränkt). Wenn es auch mit dem dritten Trainer innerhalb von knapp 13 Monaten nicht klappt, kann unser Verein wohl endgültig als untrainierbar angesehen werden...


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