Vienna bzw. H. Menasse im Standard/ neuer Ballesterer I/III (Public)

verfasst von berni1894, 07.03.2009, 19:54

übrigens, unter anderem vom ex-vienna-internationalen Hans Menasse handelt auch 'Vienna' von Eva Menasse (es geht eher um Wien als um den klub, aber eben auch). guter roman rundherum.

ARTIKEL:

"Es gab kaum Kontinuität"
Wofür stand jüdischer Fußball und was blieb von ihm nach 1945? Ein Gespräch mit dem Ex-Internationalen Hans Menasse und dem Politologen John Bunzl über Antisemitismus in der Stadthalle, Hänseleien in Luton und irakische Hakoah-Fans in Tel Aviv

Ballesterer: Eine Definition von jüdischem Fußball fällt nicht leicht. Was verstehen Sie darunter?

John Bunzl: Der Begriff trifft wahrscheinlich nur auf die Hakoah zu, obwohl Juden natürlich auch in anderen Vereinen gespielt haben - aber eben nicht in erster Linie als Juden. Und auch bei der Hakoah war nicht ganz klar, welche Art der jüdischen Identität dahinter stand. Wichtig war, dass man aus einer jüdischen Familie war und Sport betreiben wollte. Gerade in der Ersten Republik war das in nicht-jüdischen Klubs oft nicht so einfach.

Hans Menasse: Spätestens 1938 hat sich alles aufgehört. Nach dem Krieg gab es dann nur mehr sehr wenige Juden im Fußball. Bei der Austria wurde die Tradition der jüdischen Funktionäre weitergeführt: Michl Schwarz, die Gebrüder Lopper, Bujo Guttmann, ...

Zählt das nicht auch zum jüdischen Fußball?

Bunzl: Wenn man bei der Austria von jüdischem Fußball spricht, wäre das antisemitisch, weil man von keiner Selbstdefinition ausgeht. Ich fände es problematisch, Leute, die bei einem Verein gespielt haben und mehr oder weniger zufällig Juden waren, so zu kategorisieren.

Herr Menasse, sind Sie in den 1950er Jahren in Wien noch auf alte Helden der Hakoah aus der Zwischenkriegszeit gestoßen?

Menasse: Nicht, dass ich wüsste. Ich kann mir sogar vorstellen, dass ich zu dieser Zeit der einzige Jude war, der in Österreich professionell Fußball gespielt hat. Wobei Jude bei mir auch nur halbrichtig ist, weil ich eine katholische Mutter hatte.

War Ihr jüdischer Hintergrund im Fußball je ein Thema?

Menasse: Unsere Eltern haben meinen Bruder und mich vor dem Krieg mit einem Kindertransport nach London geschickt. Als ich aus England zurück zur Vienna gekommen bin, hat niemand gesagt: »Es spielt jetzt ein Jude bei uns«, sondern ich galt quasi als englischer Legionär.

Wie ist es Ihnen als deutschsprachiger Jugendlicher in England ergangen?

Menasse: Ich habe innerhalb von drei Monaten fast perfekt Englisch gelernt. Mit Kriegsbeginn 1939 wurden alle Londoner Schulen aufs Land evakuiert. In dem Dorf, in das wir gekommen sind, gab es einen Boys Club mit einer Fußballmannschaft, in der ich sofort spielen konnte. Damals gab es schon ein sehr dichtes Netz an Scouts. Denen bin ich aufgefallen und zu einem Probespiel zu Derby County geschickt worden. Damals war ich 15 und wirklich zaundürr. Sie haben zu mir gesagt, ich hätte Talent, sei aber körperlich viel zu schwach. Ein Jahr später ist dann Luton Town auf mich aufmerksam geworden und ich habe bis 1947 für sie gespielt. Es gab dann sogar eine briefliche Anfrage von Arsenal, auf die ich sehr stolz bin. Aber da war ich schon wieder in Wien.

Hatten Sie als Österreicher während des Kriegs keine Probleme in England?

Menasse: Wegen des Namens bin ich immer wieder gehänselt worden, der war unmöglich für die Engländer. Sie haben mich »Hens« genannt. Ansonsten gab es eigentlich nichts. Wegen dieser Geschichte habe ich allerdings beschlossen, meinen Kindern internationale Namen zu geben. Sie heißen Robert, Eva und Tina. Namen wie Klaus-Jürgen sind ja fürchterlich. Ich hoffe, ihr heißt nicht so.

Und wie haben die Engländer Menasse ausgesprochen?

Bunzl: »Menace«? (dt. Gefahr, Anm.)

Menasse: »Minass«, der Nachname war aber nicht wichtig. Das war alles viel lockerer als bei uns. Als ich mit 17 zurückgekommen bin, haben mich alle mit »Herr Menasse« angesprochen.

Bunzl: Ich hätte eigentlich auch Hans heißen sollen, in Erinnerung an einen Bruder meines Vaters, der in Dachau umgebracht wurde. Meine Eltern haben sich in der englischen Emigration kennen gelernt. Weil ich in London auf die Welt kam, haben sie mich John genannt.


gesamter Thread:

41650 Postings in 6753 Threads, 275 registrierte User, [total_online] User online ([user_online] reg., [guests_online] Gäste)
Viennaforum | Nutzungsbedingungen | Das alte Viennaforum (Archiv) | Kontakt
RSS Feed
powered by my little forum